Stein am Rhein. Im Kunstkaufhaus in Stein am Rhein liessen eine Künstlerin und ein Künstler Tanz, Malerei und Schriftkunst zu einer Performance verschmelzen.

Rund fünfzig Gäste streiften durch die 800 m2 grosse Halle neben dem Migros-Supermarkt im Degerfeld. Sie betrachteten die ausgestellten Kunstwerke. Corona bedingt mussten sie einen Mund- und Nasenschutz tragen.

Es ist 19 Uhr. Rainer Schoch fordert alle auf, zur Bühne zu kommen. Er ist Hausherr und Organisator des Anlasses. Ein Kameramann bringt sich in Position. Er filmt für das Fernsehen. In der Ausstellung wird es still. Die Bühne besteht aus einem am Boden festgeklebten Papier, daneben Farbtöpfe und Farbtuben sorgfältig aufgereiht, an einer Wand vier weisse Papierbogen.

Langsam geht eine junge Frau mit dunklen Augen, pechschwarzem Haar und schwarz gekleidet, zum ersten Papierbogen und beginnt zu schreiben. Mit verschieden dicken Filzstiften schreibt sie Worte wie Frust, Langeweile, Isolation. Sie heisst Chris Van Weidmann und ist Schriftkünstlerin. Klaviermusik setzt ein, eine liebliche Melodie von Ludovico Einaudi. Van Weidmann schreibt weiter bis die Musik verstummt. Sie setzt sich auf den Boden, lehnt lässig an der Wand.

Die Musik setzt wieder ein, mit Paukenschlägen, dann sanfter Geigenmusik. Jonas Deubelbeiss, ein junger Mann, betritt die Szene. Er trägt weisse Hosen und ein weisses Shirt, alles mit Farbkleksen übersät. Er tanzt mit langsamen Bewegungen, malt dazu, in jeder Hand einen Pinsel. Die Musik schwillt an. Deubelbeiss drückt jetzt Farben direkt aus der Tube auf das Papier. Der Tanz wird wilder, akrobatischer, dabei verteilt er mit der Bewegung seines Körpers die Farben. Sein Tanz erstarrt auf der Leinwand zu einem Bild. Es wird eine Kreation mit schwungvollen Linien und kräftigen Farben.

Van Weidmann sitzt noch am Boden und beobachtet den Tänzer. Plötzlich steht sie auf und schreibt weiter. "Stell Dir vor du hättest Zeit" schreibt sie. Es geht um Langeweile und Antriebslosigkeit, dann um die Notwendigkeit umzuplanen und in grossen Buchstaben "Es nervt!". Der Text des letzten Schriftbogens ist optimistisch. "Wir stehen auf" und zum Schluss "Wir wollen wieder erwachen. Lass uns Leben!". Die Musik endet, Deubelbeiss stellt seine Farbtöpfe und Farbtuben akribisch in einer Reihe auf, dann trägt er mit Van Weidmann zusammen die Papierbühne mit dem neuen Bild an die Wand, sie gehen zurück und verneigen sich. Es war eine faszinierende Schau voller Überraschungen und zum Nachdenken anregend. Die Zuschauer bedankten sich mit stürmischem Applaus.

Ein Leben für die Kunst

Die Schriftkünstlerin Chris Van Weidmann erhielt als 10-jährige ihr erstes Kalligrafie-Buch und begeisterte sich für diese Kunstform. Sie lässt aus Schriftreihen Bilder entstehen. Die Texte stammen aus Lexika oder Erzählungen. Text und Bild hängen thematisch zusammen, sei es eine Ameise, eine Kathedrale, ein Gesicht. Die Buchstaben sind meist so klein, dass sie mit einer Lupe gelesen werden müssen. Nebst Leinwand bemalt sie auch T-Shirts oder Geschirr. Van Weidmann ist eine der Künstlerinnen, die im Kunstkaufhaus ausstellen.

Deubelbeiss begann seine Künstlerische Laufbahn mit Graffiti-Kunst, dann mit Tattoo-Motiven. Gleichzeitig entdeckte er für sich den Break-Tanz, seine zweite Leidenschaft. Heute verbindet er beide Richtungen zu einer einzigartigen Kunst, die berührt und fesselt. Schoch lernte ihn am Lago Maggiore kennen, als er in Cannero Rivera (Italien) eine Freilandgalerie einrichtete, wo auch Deubelbeiss ausstellt.