- Anzeige -

Nachbarschaftshilfe wird zum Erfolgsmodell

Sven Jochem
Sven Jochem ist der erste Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe Möggingen. Im Gespräch mit dem Wochenblatt zieht er eine positive Bilanz über das erste Vereinsjahr, auch wenn der Start in Corona-Zeiten schwierig war. swb-Bild: dh

Die Nachbarschaftshilfe Möggingen hat vor etwas mehr als einem Jahr ihre Tätigkeit aufgenommen und ist sehr gefragt

Radolfzell-Möggingen. Es war ein Start in turbulenten Zeiten: Die Nachbarschaftshilfe Möggingen hat vor etwas mehr als einem Jahr ihre Arbeit aufgenommen und konnte nun den ersten Abschlussjahrgang ihrer Schulungsreihe für ehrenamtliche Helferinnen und Helfer im Rahmen eines Apéros auf dem Dorfplatz feiern. Grund genug für das Wochenblatt, mit dem Vereinsvorsitzenden Sven Jochem Bilanz zu ziehen, wie das Projekt angelaufen ist. »Wir hatten zunächst einen sehr guten Start«, betont Jochem. Angefangen hat alles mit einer Bürgerwerkstatt zum Projekt »Unser Dorf hat Zukunft«, in deren Rahmen sich herauskristallisierte, dass der Wunsch nach einer Nachbarschaftshilfe besteht. »Wir konnten über das Förderprogramm ›Quartiersimpulse‹ von der Stadt Radolfzell 12.000 Euro und von der Allianz für Beteiligung weitere 48.000 Euro als Anschubfinanzierung bekommen. Das war ein riesiger Startvorteil für uns. Nach der Vereinsgründung hatten wir damit unwahrscheinlich viel Startkapital, unwahrscheinlich viele Menschen, die mitmachen wollten, und unwahrscheinlich viel Elan – und dann kam das blöde Virus ums Eck«, erinnert sich Jochem.

Corona sorgt für Anlaufschwierigkeiten

Das hat die Arbeit des Vereins zunächst einmal deutlich erschwert. »Erst haben wir noch gedacht, die Leute bräuchten unsere Hilfe jetzt besonders, aber das Gegenteil war der Fall. Die Leute wollten Kontakte mit fremden Menschen meiden. Das war dann also insgesamt eine schwierige Startposition für die eigentliche Vereinsarbeit«, so Jochem. Mittlerweile kümmert sich der Verein um die Betreuung von alten Menschen, Hilfe im Haushalt oder Fahrdienste. Für insgesamt 16 Menschen aus Radolfzell übernahm der Verein zudem die Vermittlung von Impfterminen, wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht.
»Von der Einsatztätigkeit her sind wir nicht wahnsinnig groß gewachsen, aber sehr rapide«, sagt Jochem. Das Problem: Mittlerweile kommen auch viele Anfragen außerhalb von Radolfzell. Vor dem Hintergrund der Förderung aus dem Programm »Quartiersimpulse« seien im Moment aber eigentlich nur Einsätze in Möggingen möglich. Da die Förderung aber noch diesen Monat ausläuft, könnte der Verein schon bald seine Aktivitäten ausweiten, beispielsweise auf die anderen Bergdörfer, nach Markelfingen oder in die Kernstadt.

Verein soll sich in Zukunft selbst tragen

Die Anschubfinanzierung habe dabei geholfen, die notwendige Infrastruktur wie die Einsatzleitung mit zwei 450-Euro-Stellen und einem Büro im ehemaligen Rathaus zu schaffen. In Zukunft muss sich der Verein allerdings selbst tragen. Bis er das schafft, hoffen die Mitglieder auf eine Unterstützung durch die Stadt Radolfzell. »Ohne die Stadt, die Ortsverwaltung und die Werner-und-Erika-Messmer-Stiftung gäbe es uns ohnehin nicht«, sagt Jochem im Gespräch mit dem Wochenblatt. Eine Konkurrenz für Pflegedienste will und kann die Nachbarschaftshilfe nicht sein.

»Gschwätz mit Linsen« sehr beliebt

»Uns wurde auch schon vorgeworfen, wir würden Lohndumping betreiben, beispielsweise im Bereich der Gartenarbeit, aber das stimmt natürlich nicht, denn wir werden ja nur aktiv, wenn ein Notfall besteht«, so Jochem. Neben den Hilfseinsätzen organisiert die Nachbarschaftshilfe aber auch die Aktion »Gschwätz mit Linsen«, in deren Rahmen Menschen aus dem Dorf miteinander ins Gespräch kommen sollen, die sonst keinen Kontakt zueinander haben. »Die Leute können sich bewerben und dann werden fünf bis sieben Leute zufällig zusammengewürfelt. Wir treffen uns dann in unserem Vereinsraum, kochen gemeinsam Linsen und kommen miteinander ins Gespräch. Bisher konnten wir das Ganze leider nur zweimal machen, aber es wurde sehr gut angenommen«, so Jochem.

Im Herbst 2020 startete die erste HelferInnenschulung für Interessierte in Zusammenarbeit mit der katholischen Landfrauenbewegung. Der Kurs umfasste 18 Abende, in denen die Helferinnen und Helfer auf alle möglichen Themen vorbereitet wurden, die in der Tätigkeit mit alten Menschen auftreten können. »Von 21 angemeldeten Personen sind 16 bis zum Schluss durchgekommen und haben nun ihre Zertifikate erhalten. Das ist eine sehr gute Quote«, berichtet Jochem. In diesem Jahr soll es nicht zuletzt deshalb auch einen weiteren Kurs geben, kündigt er im Gespräch mit dem Wochenblatt an.

Wochenblatt @: Dominique Hahn