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Wie ist die Lage, lieber Weihnachtsmann?

swb-Bild: Adobe Stock

Der Weihnachtsmann, aus unserer Welt nicht mehr so richtig wegzudenken,

ist, wie wir festgestellt haben, sehr schwierig erreichbar. Kein Wunder: Während wir in unserer Zeit darüber klagen, dass in immer kürzerer Zeit immer mehr erledigt werden muss, muss der Weihnachtsmann in kürzester Zeit die ganze Welt mit Geschenken versorgen. Umso glücklicher sind wir, dass wir eine Audienz mit ihm bekommen haben, jetzt vor dem Fest. Oder haben wir das nur geträumt? Wir wissen es nicht mehr genau. Das Gespräch wurde ein unerwartetes Gespräch über Tradition, Veränderung, Innovation, und der Weihnachtsmann hat eine Botschaft für uns, die uns kurz vor diesem wieder etwas schwierigen Weihnachtsfest etwas rührt …


Wochenblatt: Wie ist die Lage, lieber Weihnachtsmann?
Weihnachtsmann: Schwierig. Früher konnte ich die Geschenke durch den Schornstein bringen, heute gibt es immer weniger Schornsteine, durch die ich die Geschenke bringen kann. Und außerdem habe ich Konkurrenz bekommen.

Wochenblatt: Konkurrenz? Sie als Weihnachtsmann waren doch weltweit unterwegs und weit und breit konnte Ihnen niemand Ihre Position streitig machen?
Weihnachtsmann: Eine Zeit war das so. Aber heute gibt es noch andere, die weltweit Geschenke liefern, und die stellen sie einfach vor die Türe. Wir wollten aber eigentlich weiter durch den Schornstein liefern, das ist doch irgendwie romantischer.

Wochenblatt: Aber Ihre Rentiere haben Sie noch?
Weihnachtsmann: Ja, und sie sind immer noch schneller als jeder Lieferwagen. Sie wissen ja sicherlich, dass das, was wir da vor der Bescherung leisten, physikalisch eigentlich unmöglich ist. Aber wir sind mit unseren Rentieren nun einmal schnellerals das Licht.

Wochenblatt: Und was machen Sie jetzt mit den fehlenden Schornsteinen?
Weihnachtsmann: Wir wissen, dass wir uns anpassen müssen, zumal wir die persönliche Lieferung beibehalten möchten. Das Zwischenmenschliche ist doch gerade in diesen Zeiten sehr wichtig.

Wochenblatt: Haben Sie schon erste Ideen?
Weihnachtsmann: Ich habe die Lösung bereits, sie wird seit Jahren in verschiedenen Regionen getestet und ist auch im Wochenblatt-Land bereits seit längerem in der Entwicklung. Im ersten Schritt haben wir Väter und Männer in den Regionen angeheuert, die für uns liefern. Sie bekommen von mir das Recht, die  Weihnachtsmannkleidung anzulegen und dafür liefern sie dann Geschenke unter den Baum. Mittlerweile – und das freut mich besonders – sind auch Frauen als Weihnachtsmann unterwegs. Und auch sie bringen nicht nur Geschenke, sondern auch die Weihnachtsstimmung. Wir haben festgestellt, dass Männer und Frauen gleich gut Weihnachtsstimmung verbreiten können, auch wenn sie es teilweise auf sehr unterschiedliche Art tun.

Wochenblatt: Mir fällt gerade auf, dass Sie oft von wir sprechen, nicht nur im Zusammenhang mit den angeheuerten Männern und Frauen. Sind Sie gar nie alleine gewesen? Wurden Sie nicht 1933 als Santa Claus von Coca-Cola erfunden?
Weihnachtsmann: Nein. Ich wurde gewissermaßen zu Marketingzwecken von Coca-Cola gekapert. Das war zwar ein schlauer Schachzug von Coca-Cola, aber schlussendlich war es der Versuch einer feindlichen Übernahme, der gründlich schiefgegangen ist. Nein, ich bin eine kulturelle Entwicklung und vereinige als solche den Bischof Nikolaus von Myra und Knecht Ruprecht, beides wahrlich keine Erfindungen von Coca-Cola. Das Lied »Morgen kommt der Weihnachtsmann «, das noch heute in vielen Familien, Kindergärten und Schulen gesungen wird, ist 1835 von Hoffmann von Fallersleben geschrieben worden.

Wochenblatt: Und warum das »Wir«, von dem Sie immer wieder sprechen?
Weihnachtsmann: Wenn ich von »wir« spreche, dann geht es tatsächlich darum, dass ich verschiedene Vertreter in den Regionen habe, die sich auch alle an die jeweiligen Märkte angepasst haben. Zwei Beispiele: Sinterklaas arbeitet in den Niederlanden, Großvater Frost ist in Russland mit einem blau-weißen Mantel unterwegs, die nordische Sagengestalt des Nisse (übersetzt: Wichtel, Anmerkung des Verfassers.) arbeitet ebenfalls für uns. Sie hat übrigens dafür gesorgt, dass selbst in Deutschland gewichtelt wird. Und natürlich unsere Vertreter in den Städten und Gemeinden überall auf der Welt.

Wochenblatt: Das klingt innovativ…
Weihnachtsmann: Finde ich mit ein bisschen Stolz auch. Es hat ja keinen Sinn, nur gegen den Strom der Zeit zu schwimmen, zu verbittern oder gelähmt auf den Fortschritt zu schauen, die Internetgeschenkekonkurrenz ist eben jetzt da. Und wir sind machtlos dagegen, das wissen wir, wir haben keine Juristen und keine Lobbyisten. Wenn man das begriffen hat, dann hilft: Man muss sich mit der eigenen Quelle verbinden, und die ist nicht Coca-Cola. Sonst würde ich nicht so viele Blutzuckermessgeräte ausliefern. Und wenn man mit der Quelle verbunden ist, dann macht man das, was man tun kann und sucht andere, die in die gleiche Richtung wollen, die sogar vielleicht die gleiche Sehnsucht haben.

Wochenblatt: Katholische Kräfte wollen Weihnachten weihnachtsmannfrei machen …
Weihnachtsmann: Seit 2002 gibt es so eine Kampagne des Bonifatiuswerkes der katholischen Kirche, ja. Ich verstehe sie nicht. Keiner von denen hat jemals mit mir darüber gesprochen, wie wir gut zusammenarbeiten könnten. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass man sich bemüht zu verstehen, was wir eigentlich wirklich bringen. Übrigens versuchen wir genau das mit all den Männern und Frauen, die wir weltweit einlernen und die für uns eben nicht nur Geschenke liefern, noch viel besser hinzubekommen.

Wochenblatt: Jetzt machen Sie mich neugierig. Was ist denn das, was Sie eigentlich wirklich bringen?
Weihnachtsmann: Drei wesentliche Dinge bringen wir, die ich gleich auch etwas genauer erkläre, vielleicht auch für Ihre Leserinnen und Leser, die wieder einmal so ganz traditionell Weihnachten feiern möchten: Erstens, Zeit. Die Zeit zwischen dem Essen und dem Geschenke auspacken zieht sich nach unseren Studien für die Kinder wie für die Eltern, für Beschenke wie für die Schenkenden. Fünf Minuten werden gefühlt zur Stunde, eine Stunde zu mehreren Stunden. Aufgeregten Stunden, Stunden der Zurückhaltung, der Spannung und der Neugier. Medizin in einer Zeit der schnellen Bedürfnisbefriedigung. Noch besser, wenn jemand eine weihnachtliche Geschichte vorliest oder ein Interview mit mir (lacht). Zweitens, ungeteilte Aufmerksamkeit: Wenn so ein Kind, gleich welchen Alters (schmunzelt) so ein Geschenk aufmacht, dann ist das eine hochintensive Tätigkeit, voller Spannung und Leben. Neugier, was für ein schönes Gefühl. Und wer da zuschaut, erlebt das Kind (auch das in der Frau oder im Manne) auf eine ganz persönliche Art. Die Art Geschenke auszupacken ist wie ein Fingerabdruck, einzigartig eben. Achten Sie einmal darauf, wie ein Mensch ein Geschenk aufmacht, schauen Sie zu, ohne es zu bewerten, wie der Blick ist, was die Hände tun, was da passiert, genießen Sie diese Momente. Wenn die einen Geschenke auspacken und die anderen zuschauen, dann ist das eine Zeit, wie es sie selten im Leben gibt: eine Zeit ungeteilter Aufmerksamkeit. Ach so: Alle Bildschirme während der Bescherung aus, sonst ist die Aufmerksamkeit nicht ungeteilt. Drittens, Verbundenheit: Schenken verbindet auf jeweils ganz besondere Art. Wir raten und versuchen das auch über all die Weihnachtsmänner und -frauen auf der Welt an die Menschen zu bringen, dass es nicht darum geht, viel zu schenken, sondern bewusst, so dass die Beschenkten jeweils wissen, dass nur sie gemeint sind, dass man etwas wirklich von Herzen gibt. Man fühlt das schon vorher, wenn man das richtige Geschenk gefunden hat. Eine Suche, ganz anders als auf Google: Ich gebe keinen Suchbegriff ein, sondern streiche so lange durch  Läden oder vielleicht auch durchs Internet, bis ich das sehe, wo ich das Gefühl habe: Das ist es für diesen Menschen. Und gleich habe ich auch die Idee, was ich dazuschreiben will, wie es einzupacken ist. Da passiert mehr in den Menschen, als das alle digitalen Suchalgorithmen können. Mit diesen drei Punkten wird das Schenken zu so etwas wie einem heiligen Akt.

Wochenblatt: Womit sich der Kreis zur Kirche schließt?
Weihnachtsmann: Ja, auch wenn die es sicherlich anmaßend findet, dass ich von einem heiligen Akt spreche. Mit heilig meine ich etwas Verehrungswürdiges, etwas ganz Besonderes, auch wenn ich weiß, dass das eine etwas profane Definition ist. Und ich finde, dass die Form des Schenkens, die ich beschrieben haben, etwas ist, das wir verehren dürfen. Übrigens noch mehr, wenn das Geschenk zumindest ein bisschen eine Überraschung ist.

Wochenblatt: Zur Quelle, die Sie vorher erwähnt haben – zu der Quelle, mit der man sich verbinden soll statt zu hadern mit dem Lauf der Welt, haben Sie noch nichts gesagt. Oder ist die Quelle die Summe der drei Punkte?
Weihnachtsmann: So ganz sicher sind wir nicht, die Quelle und die drei Punkte hängen irgendwie zusammen. Die Quelle könnte man auch als unser Geschäftsgeheimnis bezeichnen, obwohl sie nicht von uns kommt. Aber wir haben festgestellt, dass zum Beispiel unsere Internetkonkurrenz zwar schnell liefern kann, vielleicht irgendwann schneller als wir, weil wir uns nicht beamen können, dass sie saubere Vertriebs- und Logistikprozesse hat, dass sie weltweit alles liefern kann so wie wir, dass Menschen dort Wunschzettel hinterlassen können wie bei uns, aber dass sie den Zugang nicht haben zur Quelle, auch Coca-Cola hat sie nie gefunden.

Wochenblatt: Meine und die Spannung unserer Leserinnen und Leser steigt …
Weihnachtsmann: Also, ich lasse es aus dem Sack: Es geht um das Weihnachtsgefühl, das ist einzigartig, es ist ein feierliches Gefühl, aber anders als ein Geburtstags- oder ein Hochzeitsgefühl. Mit dieser Quelle sind nicht nur wir verbunden, die Kirchen sind es vielerorts auch. Wir haben allerdings auch festgestellt, dass beispielsweise Großeltern, gleich ob gläubig oder nicht, in vielen Fällen sehr nahe an der Quelle sind.

Wochenblatt: Auch wenn das ein schönes Interviewende wäre, haben wir noch eine Frage, ist das in Ordnung?
Weihnachtsmann: Ja, aber dann muss ich los.

Wochenblatt: Wie schaffen Sie es, dass dieses Weihnachtsgefühl über die vielen Weihnachtsmänner und -frauen in die Familien, zu den Paaren und Menschen in der Welt kommt?
Weihnachtsmann: Indem wir die Quelle mit den Menschen verbinden und dann passiert es: überall, wo sich Menschen für Menschen am entscheidenden Festtag wirklich füreinander Zeit nehmen und sich wirklich verbinden. Einfach  so. Mit den Geschenken, manchmal nur mit einer Karte oder etwas Selbstgebasteltem. Es passiert einfach. (setzt sich auf seinen Schlitten und ist schneller weg, als wir gucken können)

Das Interview führte Anatol Hennig

Wochenblatt @: Anatol Hennig