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Im Sommer 1943 wurde die Insel Mainau an die Organisation Todt (OT) die bautechnische Organisation des Rüstungsministeriums von Albert Speer verpachtet. Diese suchte in Süddeutschland ein Erholungsheim für Industrielle aus der Rüstung. Da der Fremdenverkehr im Krieg eingeschränkt wurde, kam das Angebot den Mainau-Eigentümern nicht ungelegen. Man wollte lieber eine kriegswichtige Organisation unterstützen als den guten Namen im Fremdenverkehr verlieren.

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Geschichte des Landkreises Konstanz

Von der Organisation Todt zur französischen Exilregierung

Die Mainau war 1930 im Erbgang über die badische Prinzessin Victoria, Ehefrau des schwedischen Königs, an deren Sohn Prinz Wilhelm übergegangen, der sie 1932 seinem Sohn Lennart zur Nutzung überließ. Die Insel nahm im 3. Reich einen touristischen Aufschwung, der auch durch neue Freizeitorganisationen wie "Kraft durch Freude" begünstigt wurde.

In der Kriegszeit hielt sich die Familie Bernadotte in Schweden auf. Nach dem Krieg gab Lennart Bernadotte andere Erklärungen für diese Verpachtung, so etwa, man habe ihn enteignen wollen, um die Insel dem Rüstungsminister Speer nach dem Endsieg zum Geschenk zu machen. Die OT renovierte Schloß und Einrichtung und besorgte aus Frankreich Mobiliar. Für das Personal wurden drei Holzbaracken aufgestellt, deren Grundmauern heute noch zu sehen sind.

Tatsächlich wurde die Insel von der OT nie im geplanten Sinne genutzt. Im Herbst 1944 wurde sie den französischen Kollaborateuren um Jacques Doriot zugewiesen. Der Metallarbeiter aus einem roten Vorort von Paris durchlief nach dem 1. Weltkrieg eine steile Karriere in der kommunistischen Partei, überwarf sich aber mit ihr und gründete in den 30er Jahren eine nationale Sammlungsbewegung gegen den Kommunismus. Nach der Besetzung von Frankreich setzte er auf die Kollaboration mit Deutschland und diente sich den Deutschen als Alternative zum Vichy-Regime an. Der Frontkämpfer des 1. Weltkriegs kämpfte sogar zeitweise in deutscher Uniform in der Französischen Freiwilligen-Legion an der Ostfront. Nach der Landung der Alliierten wurde die Vichy-Regierung mit Marschall Pétain und Ministerpräsident Laval im Herbst 1944 von den Deutschen im Hohenzollern-Schloß in Sigmaringen einquartiert, sie weigerte sich aber weiter zu amtieren.

Die Deutschen setzten in dieser Schlußphase auf Doriot, dessen Führungsgruppe mit 100 bis 200 Personen sich auf der Mainau einrichtete. Ihm sollten sich alle französischen Gruppen auf deutschem Boden unterstellen, nach einer Rückeroberung Frankreichs war er zum Regierungschef ausersehen. Ein Rundfunksender wurde ihm zur Verfügung gestellt, im Konstanz am brachte er die Zeitung "Le Petit Parisien" heraus, er plante bereits Sabotageakte in Frankreich. Wie General de Gaulle in London und dann in Algier proklamierte er auf der Mainau Anfang 1945 ein Französisches Befreiungskomitee, um Frankreich von der Herrschaft der Gaullisten und Kommunisten zu befreien.

Das Leben auf der Mainau und in Konstanz war aber sicher nicht so, wie es sich der Schriftsteller Céline in Sigmaringen ausmalte: "Der Urlaub hieß Konstanz, acht Tage Konstanz! ... die einzige ruhige Stadt in ganz Deutschland, die einzige nie bombardierte Stadt, es war wie im Frieden, und alle Geschäfte geöffnet, und die Bierstuben ... und außerdem die Lebensmittel! eine große Auswahl von Osten und Westen! Marmeladen, Schokolade, Konserven, Kaviar! ... Echter Rostower Kaviar! ... und das ist keine Erfindung! ... das wurde mit Fallschirmen abgeworfen, ja, von einem R.A.F: - Geschwader! Zugleich mit allen "Reuters" und Informationen der ganzen Woche ... New York, Moskau, London ... kurz die prächtige Terrasse des "Cafés zum Frieden" am Ufer des Sees lohnt sich wirklich, eine wirklich märchenhafte Stadt ..." Bereits im Februar 1945 war der Spuk vorbei. Auf der Fahrt von der Mainau nach Sigmaringen wurde sein Auto von einem Tiefflieger beschossen und Doriot dabei getötet. Das Grab Doriots in Mengen ist heute noch Wallfahrtsort für französische Rechtsradikale, die dort Blumen oder Flugblätter niederlegen. Die führenden Köpfe der Kollaboration wurden hingerichtet oder zu langen Haftstrafen verurteilt.

Arnulf Moser


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