Jahr/Epoche

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Kriegsjahre - Hungerjahre. Wieviel musste damals "organisiert" werden. Oft nahm das in der Schlange stehen fast den ganzen Tag in Anspruch. An diese Zeit erinnert sich auch Singens Alt-OB Friedhelm Möhrle (Jahrgang 1934), der in dieser Zeit seine frühe Jugend verbrachte. Die Familie wurde durch den Kriegseinsatz des Vaters auseinandergerissen. "Ich war über Jahre voll in den täglichen Lebenskampf eingespannt", erinnert sich Möhrle heute. Und die Not hörte mit dem Ende des Kriegs keineswegs auf. Der Vater kam 1946 aus der Gefangenschaft zurück, als Lehrer konnte er vorerst nicht arbeiten. Eine Bäckerei in Ludwigshafen von der Großmutter bot eine Chance. Der kleine Friedhelm musste natürlich dort mithelfen, wo es ging. Die Kunst war aber, überhaupt von Singen nach Ludwigshafen zu kommen. Da waren Kontakte zu den Lastwagenfahrern gefragt.

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Die Kunst des Überlebens

Aus allem alten Holz wurden Hasenställe gebaut und kein Nagel wurde nicht nochmal verwendet. Das Futter musste freilich "organisiert" werden. "Wir bekamen damals Feldwege zugeteilt, an denen wir Gras abschneiden durften. Doch das reichte nicht. Dann ging es in einigem Abstand in die Wiesen. Immer mit der Angst, erwischt zu werden." Ausflüge zur Nahrungsbeschaffung waren damals üblich: Oft gingen der junge Friedhelm Möhrle zu Fuß bis zum Böhringer See oder Bodensee. Ein Tagesmarsch. Und auch dort die Angst, mit der Angel erwischt zu werden. "Wir hatte dort Äste deponiert, die wir rauszogen, wenn wir ein Geräusch hörten. Unsere guten Angeln versteckten wir solange. So dachten alle, dass wir sowieso nichts fangen können.

Für die guten Angeln ging es mit dem Fahrrad bis auf die Mainau. Dort gab es Bambus zum Stibitzen. Auch in die Aach ging es zum Fischen. Die Kinder beherrschten damals die Technik, die Fischer unterm Seegras hervorzuheben. "Ich kann's heute noch", so Möhrle stolz. Das war dann vorbei, als die Französischen Besatzer mit Handgranaten fischten. Doch auch hier mussten die Kinder die toten Fische aus dem Wasser holen, für die Soldaten freilich. "Wir hatten schnell den Dreh raus, wie wir Fische unbemerkt unters Seegras schieben konnte, um sie später zu holen. Die Kinder mussten auch die dringend notwendigen Kohlen vom Gaswerk holen. Auch das bald eine Tagesreise mit dem Leiterwagen, wenn man Bezugsmarken hatte. Die Kinder träumten vom Auswandern nach Alaska. Als Trapper, versteht sich.

Für die Beschaffung des Arbeitsgeräts wurde ein Forsthütte ausgeräumt und die Dinge im Wald versteckt. Sogar die Steigeisen von Postarbeitern stibitzen die Kinder, doch das fiel auf. Und keiner der Erwachsen wollte glauben, dass die Kinder das "gefunden" hätten. Zu Kriegsende floh die zu dieser Zeit Vaterlose Familie in die Schweiz bei nach und Nebel. Dort gab es Verwandte. Doch man musste alsbald zurück, sonst wäre wie Wohnung von anderen besetzt worden. Friedhelm Möhrle durfte etwas länger bleiben. Er war zu geschwächt. Und trotzdem: "In all diesem Überlebenskampf hatten wir damals Zeit um zu spielen und zu träumen."

Oliver Fiedler


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