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Leichter geschrieben als getan: Die Karriere des Radolfzellers Werner Messmer, der ab 1949 das einzige richtig groß gewordene Nachkriegsunternehmen der Region aufbaute. Werner Messmer ist heute der einzige große Unternehmer der Nachkriegszeit, der sich der Region noch so verpflichtet fühlt, dass sie davon wirklich profitiert, auch wenn sein Unternehmen mittlerweile in der Hand des amerikanischen Konzerns TRW ist.

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Geschichte des Landkreises Konstanz

Tierarzt wollte er werden, über 1000 Arbeitsplätze schuf er

Gerade 15 Jahre alt war Werner Messmer, als er 1943 als Flakhelfer nach Friedrichshafen-Bunkhofen kam. Fast nächtlich sei Friedrichshafen bombardiert worden. Und die ersten Kriegserlebnisse waren für den jungen Messmer schlimm: Die Fallschirme der abgeschossenen Piloten wurden von Granatsplittern zumeist durchlöchert, viele Piloten krachten einfach auf den Boden.

Der 15jährige wurde mit dem Tod konfrontiert. Messmer kam zum Reicharbeitsdienst, wurde Kurier, und wollte schließlich Veterinär werden, Pferde interessierten den jungen Mann besonders. Doch es kam anders: Messmer wurde zur Infanterie beordert und kam 1944 in der Ardennenoffensive, in Hitlers letzter großen Offensive im Westen, in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Mit 5.000 anderen Soldaten wurde Messmer in ein Lager in Frankreich gesteckt und muss schon damals aus der Masse herausgeragt sein: "Nachdem Deutschland kapituliert hatte, wurde ich der Boy unseres amerikanischen Captains Joyce." Messmer arbeitete für die Motor-Pools, die Kfz-Parks der Amerikaner.

Sein Captain, dem jungen Mann offensichtlich nicht abgeneigt, versorgte ihn hin und wieder mit englischer Literatur, Messmer lernte amerikanisch und bewunderte den "American Way of Life", auch wenn der sich in den US-Kantinen noch sehr bescheiden ausnahm. Erst 1947 heimgekehrt, stand Werner Messmer wie so viele Spätheimkehrer ohne Ausbildung vor einer ungewissen Zukunft. Der Traum des 19jährigen war noch nicht ausgeträumt: "Ich versuchte, einen Studienplatz für Veterinärmedizin zu bekommen, hatte aber keine Chance." Also begann Messmer in Konstanz eine kaufmännische Ausbildung. Das Kaufmännische lag ihm im Blut: Sein Onkel Richard Gutmann habe ihm in seinem Lebensmittelmarkt in der Radolfzeller Seestraße verkaufen lassen. Das habe Werner Messmer fasziniert. Nach der Ausbildung wagte Messmer den Sprung ins kalte Wasser: 1949 wurde die Werner Messmer & Co. in einer Baracke der Allweiler AG ins Leben gerufen. Zusammen mit seiner späteren Frau Erika und einem Meister schaffte er die ersten Aufträge an Land. Es war die Konkursmasse eines kleinen Radolfzeller Fabrikationsunternehmen, mit welcher der spätere Radolfzeller Ehrenbürger den Anfang wagte. Messmer hatte den richtigen Zeitpunkt gewählt und mit dem Auto, das nach dem Krieg seinen Siegeszug durch die Welt erst begann, auch auf das richtige Pferd gesetzt.

Doch: Mit gerade einmal 22 Jahren als Existenzgründer die Welt zu erobern, das war auch nach dem Krieg kein Sonntagsspaziergang. Der Radolfzeller suchte nach größeren Aufträgen: Mit einem Käfer und mit der Bahn fuhr er mehrmals nach Wolfsburg zum Volkswagenwerk. Zunächst blieb er mit seinen Ideen ungehört. Für ihn heute kein Wunder: "Ich war dünn, jung, aber selbstbewusst und agil." Eine Chance bekam er schließlich doch: Josef Nolden, damals Einkaufsdirektor Elektrik bei VW, gab dem jungen Unternehmer einen Probeauftrag mit an den See: Öldruckschalter sollte er bauen. Und Werner Messmer baute, mit primitiven Maschinen in den Allweiler-Baracken. Das Ergebnis gefiel den Fachleuten des Autogiganten gut: Der nachfolgende Auftrag war die Basis einer dauerhaften Geschäftsverbindung zwischen VW und Werner Messmer. Bald kam die erste Standortfrage: Die Verkehrsverbindungen, für einen Automobilzulieferer unabdingbar, waren nicht gerade optimal und Radolfzell lag am Rand des aufstrebenden Autolandes. Von Virnheim (bei Mannheim, direkt am Autobahndreieck) bekam der erfolgreiche Jungunternehmer ein Angebot, von Rielasingen aus bemühte man sich ebenfalls um den mittlerweile 40 Beschäftigte starken Betrieb Messmers. Doch besonders der damalige Stadtrat und stellvertretende Bürgermeister Josef Schmid kämpfte für Messmer und für den Standort Radolfzell.

Messmer, bereits im Radolfzeller Vereinsleben integriert und erklärter Liebhaber der Stadt am See, blieb schließlich. Die Stadt Radolfzell sollte davon profitieren: 1954 hatte Messmer bereits 90 Beschäftigte, 1961 waren es schon 300. Es kam das Wirtschaftswunder in Deutschland und damit das Arbeitskräfteproblem, das den Unternehmern dieser Zeit viel Erfindungsreichtum abgerungen hat: "Ich habe über 100 Arbeitskräfte samt Familien in die Stadt gebracht", resümiert Werner Messmer heute. Darunter auch 30 Jugoslawinnen, die Messmer selbst mit einem Reisebus in seinen Betrieb holte. Es war überhaupt eine Zeit der Improvisation: Danken möchte Werner Messmer vor allem Menschen wie den Bürgermeistern Hermann Albrecht und Fritz Riester, die mit unbürokratischen Lösungen dem Betrieb die Expansion am See ermöglichten, schon einmal Grundstückswerte mit der Gewerbesteuer verrechneten. Lösungen, die heute nicht mehr denkbar wären. 1971 der Höhepunkt für den Betrieb: Über 1000 Arbeitsplätze hatte Werner Messmer geschaffen, Zweigstellen gab es unter anderem in Böhringen und Gailingen, Messmer hatte bereits 1965 und 1967 in Mexiko und Brasilien Produktionen aufgebaut - auf Wunsch von Volkswagen. Und: Werner Messmer wurde mit seinem Betrieb einer der größten Gewerbesteuerzahler der Stadt Radolfzell.

Es kamen schwierigere Zeiten: Die Autohersteller begannen das Sparen vor allem bei den Zulieferern und die Amerikaner drängten auf den Markt. Das Wirtschaftswunder hatte Deutschland zudem hohe Löhne beschert, höhere als anderswo auf der Welt. Und die Amerikaner, darunter Branchenriesen wie Lockheed und ITT, klopften bei Werner Messmer an die Türe: Übernahmeverhandlungen begannen. Als Sieger der Aquiseversuche ging 1973 der Konzern TRW hervor: Er wurde Teilhaber an Messmers Lebenswerk, übernahm 1978 den Betrieb komplett. Ohne die guten Beziehungen des Radolfzeller Wirtschaftskapitäns allerdings konnten die Amerikaner nicht ganz auskommen: "Bei Qualitätsproblemen war ich gefragt", sagt Messmer. Und noch heute ist Werner Messmer für den Radolfzeller Betrieb wichtige Instanz, der Standort profitiert davon. Bleibt eigentlich noch eine Frage an den Bundesverdienstkreuzträger und Ehrenbürger, der über 100 Wohnungen in Radolfzell gebaut hat, in vielen Vereinen tätig war, der Stadt erst kürzlich einen Kindergarten geschenkt hat und 1997 eine Stiftung, seine Stiftung, für das gesamte öffentliche Leben der Stadt gegründet hat: Ist so etwas wie seine Geschichte heute auch noch möglich?

"In der Autobranche", sagt er, "lässt es sich heute nur noch im Konzern überleben." Fertigungslinien in der Garage, das sei heute undenkbar: Zwischen fünf und 30 Millionen Mark würde eine Fertigungslinie heute kosten. "Das gibt es heute nicht mehr, das jemand so anfangen könnte wie ich damals." TRW beschäftige mehrere hundert Arbeitskräfte in osteuropäischen Ländern. Diese würden dort Handarbeit für teilweise acht Mark in der Stunde bewältigen.

Anatol Hennig


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