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Eine Bilanz der Verkehrspolitik am Bodensee seit den 70ern ist schwer zu ziehen. Ein Blick in die Zukunft an der Schwelle ins neue Jahrtausend ist noch schwieriger.

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Geschichte des Landkreises Konstanz

Keine Grenzkooperationen in Sachen Verkehr

Die verkehrspolitischen Prämissen vor 100 Jahren waren einfach. Dort wo Schienen verlegt wurden, gab es Aussicht auf Arbeit und ein Stückchen Wohlstand. So kamen die Bahnen, wenn auch gegenüber anderen Regionen, zeitversetzt nach Konstanz, Friedrichshafen und Lindau. Hundert Jahre später sind es Straßen, denen Schlüsselfunktion für einen funktionsfähigen Lebens- und Wirtschaftsraum beigemessen wird. Das extreme Anwachsen der Verkehrsvolumina in den 50iger und 60iger Jahren war Auslöser. Der miserabele Zustand, die antiquierte Linienführung und die vielen Ortsdurchfahrten schufen Handlungsdruck, die B 33 (Konstanz-Engen), die B 34 (Singen - Ludwigshafen), die B 31 (Lindau - Friedrichshafen - Ludwigshafen), die B 14 (Stockach-Rottweil) oder die B30 von Ulm an den See "endlich verkehrsgerecht" zu gestalten. Zunächst ist "Deutschlands letztes Zipfele", in der offiziellen Verkehrsplanung gar nicht vorgekommen.

Erst als die politisch Ver-antwortlichen und die IHK´s Sturm gelaufen sind, tat sich auch am See etwas. Aber vieles, was in den zurückliegenden Jahrzehnten als Bundesverkehrswegeplan auf Papier Gestalt fand, weckte Hoffnungen und Erwartungen, die sich in der Rückschau als "Märchen" entpuppten. Wahr ist, die A 81 Stuttgart - Singen - schweizer Grenze, die A 96 München - Lindau (in Teilen), die B 33 vierspurig ab Singen bis Allensbach-West und einige Ortsumgehungen sind für viel Geld gebaut worden. Tatsache ist aber ebenso, die im schweizer Weinland gestoppte Weiterführung der A 81 als "neu europäische Nord-Südmagistrale", war eine frühe Bankrotterklärung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Bodensee. Nicht viel besser sind die Ergebnisse im Raum Konstanz. Ein als "So-da-Brücke" bespötteltes Straßenstück über den Rhein bleibt trotz der aktuellen Rettungsversuche ein planerisches Torso. Die stets als Regionalschnellstraße verkaufte B 33 von Singen über Radolfzell nach Konstanzer, hat tragischer Weise alle Chancen zur nie gewollten neuen internationalen Nord-Süd-Verbindung zu mutieren. Lediglich der im Bau befindliche Zollhof und ein paar Kilometer Straße im Tägermoos und hinter Allensbach fehlen noch. Kurioses auch bei Stockach. Die kleine Stadt hat es früh geschafft gleich zwei Autobahnanschlüsse zu ergattern.

Aber hinter Stockach endet der einstmal erdachte Bodenseeschnellweg bislang auf leidlich aufgepepptem Kreisstraßenniveau. Wie es in Richtung Friedrichshafen und Lindau weitergeht, steht an der Schwelle des Jahres 2000 ebenso in den Sternen, wie der stark umstrittene Lückenschluß der B 33 zwischen Allensbach-West und Konstanz. Welche Schlußfolgerungen sind zu ziehen. Die Verkehrspolitik wäre gut beraten aufzuhören, nur punktuelle Lösungen umzusetzen. Den "großen planerischen Wurf" gab es als Idee zwar auch in der Vergangenheit. Versäumt wurde aber zu häufig, im Streit um den richtigen Weg die Orientierung zu halten. Gute Pläne für ein verkehrspolitisches Gesamtkonzept verkümmerten zu oft zu Makulatur und die Verkehrsplanung stolperte dann von einem selbst geschaffenen Sachzwang in den nächsten. Keine Ausrede für das Fehlen ist der Umweltschutz. Der Bodenseeraum als wertvolle Kultur-, Natur- und Erholungslandschaft setzt jeder Verkehrsplanung Grenzen.

Ein prioritätssetzendes, allgemeinverbindliches umweltpolitisches Leitbild, ist trotz der vielen Bodensee-Gutachten nie zustande gekommen. Die Konflikte in der Verkehrspolitik waren und sind dementsprechend heftig. Einen überraschend guten Start hatte dagegen die Regionalisierung des Nahverkehrs am See. Die "Goißbockbahn" im Raum Friedrichshafen, der "Seehas" im Landkreis Konstanz, waren noch bevor es dafür gesetzliche Grundlagen gab, bundesweit Pioniere, Züge vom Abstellgleis zu holen. Es gibt aber noch einiges zu tun. Besonders die Verknüpfung der Verbindungen um den See muß auf die Tagesordnung. Zu oft sind Staatsgrenzen auch Verkehrshindernisse. Selbst wenn Bahnen, wie der Seehas Grenzen überbrücken, gibt es Probleme.

Die noch unangenehm langen Wartezeiten im grenzüberschreitenden Verkehr in Kreuzlingen oder Konstanz sind ein Produkt der bis-lang fehlenden Abstimmung zwischen deutschen und schweizer Fahrplangestaltern. An der Staatsgrenze am See endet leider das Denken. Mit dem ICT kam ein schicker, schneller Zug über die Gäubahn aus Stuttgart nach Singen und verbindet den Kreis mit Zürich. Das Plus darf aber nicht dazu führen, für die ebenso wichtigen Fernverkehrszüge der Schwarzwaldbahn "das Sterbeglöcklein zu läuten". Eine Sache, die von der dafür zuständigen Bahn AG noch nie ganz ausgeräumt wurde. Seltsam, aber wahr. Obwohl der See mit rund. 540 Quadratkilometer Wasserfläche der größte deutsche Binnensee ist, spielt die Schiffahrt nur eine untergeordnete Rolle. Die in der VSU seit 100 Jahren zusammengeschlossenen Schiffahrtsbetriebe am Bodensee sind bis auf 2 Fährverbindungen hauptsächlich für den Tourismus bedeutsam. Beinahe wäre dies anders geworden.

Erst vor rund 25 Jahren sind die hochfliegenden Pläne Bregenz mit den Weltmeeren über einen schiffbaren Bodensee und Hochrhein zu verbinden, ad acta gelegt worden. Parallele zu damals; - hohe Erwartungen manch politisch Verantwortlicher gelten derzeit einer Schnellfähre von Konstanz nach Friedrichshafen. Ob dieses Vorhaben als ökologische Wende in die Verkehrspolitik eingehen wird, ist fraglich. Es sieht mehr da-nach aus, daß sich die Planer ähnlich, wie damals die "Hochrheinschiffer", blutige Nasen holen. Letzteres wäre angesichts der sehr gut beschleunigbaren Zugverbindungen am deutschen Seeufer wohl kaum ein Schaden. Mit weniger Geld und höherer verkehrlicher Wirksamkeit, ist eine ebenso schnelle Zuglinie von Konstanz nach Friedrichshafen auf vorhandener und ausbaufähiger Infrastruktur zu konzipieren. Manchmal ist es eben gut, wie die Vergangenheit mehrfach belegt, wenn Wünsche an die Verkehrspolitik unerfüllt bleiben. Dies wird auch im nächsten Jahrtausend so bleiben.

Helmut Kennerknecht
Bürgermeister in Allensbach


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