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Zwar ist in unseren Gärten der Sellerie billig geworden. Und es meinten wohl viele, sie tauge höchstens zur Speise. Dennoch bietet aus eigener Kraft sie zahlreiche Mittel Wirksamer Hilfe. Denn wenn ihre Samen zerrieben Du einnimmst, Soll, wie man sagt, dies die quälenden Leiden der Blase beheben. Isst man jedoch sie selbst mit dem zarten Trieb, so verdaut sie Reste von Speisen, die noch im Innern des Magens rumoren. Wenn den Tyrannen des Körpers würgender Brechreiz belästigt, Trinke man Sellerie gleich mit herbem Essig und Wasser. Dann wird, vom sicheren Mittel besiegt, die Übelkeit weichen.

Walahfried von der Reichenau, geboren in eher ärmlichen Verhältnissen am Bodensee, schrieb diese Verse über die Kräuter seines Klostergartens im Jahr 827 nach Christus auf der Reichenau. Im gesamten Gedicht beschreibt der Mönch, der 839 vom Kaiser (Ludwig der Fromme, Nachfolger von Karl dem Großen) zum Abt des Klosters Reichenau erkoren wurde, 23 Pflanzen. Nach Walahfried von der Reichenaus Tod (849 verunglückte er an der Loire) verlor die Reichenau als eines der wichtigen Zentren der abendländischen Religion viel von ihrer Bedeutung und wurde bis auf weiter von St. Gallen überflügelt. Der Kräutergarten Strabos indes ist hinter dem Münster St. Maria und Markus in Mittelzell nachgebaut worden und dort auch zu besichtigen.

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Geschichte des Landkreises Konstanz

Die hochgeistige Blüte brachten die Mönche

Die Klostergründungen sind der Anfang - der Anfang der neueren alemannischen Geschichte in der Region: Klöster gründeten Städte, Märkte, Häfen und Münzstätten. Und mit den Klöstern am See, im Hegau und am nahen Rhein kam diese Region zu Bedeutung, zu so viel Bedeutung, dass sie zeitweise der geistige Nabel der christlichen Hemisphäre wurde. Die Bedeutung freilich schrumpfte wieder und wird heute nicht einmal touristisch ganz erfasst. Nach Rom geht man heute auch wegen Sakralbauten, den Kölner Dom besichtigt man, an den Bodensee kommt man wegen dem Wasser.

Dabei ist nahe am Wasser die Geschichte ganz nah - die Geschichte von Menschen, die sich ansiedelten, um geistvoll zu leben, um die alemannischen Ureinwohner zu missionieren, um Bücher zu schreiben und Chroniken zu entwickeln, um die Sonnenfinsternis zu enttarnen, Brüderlichkeit zu leben, aber auch um Macht auszuüben und auszunutzen. Der heilige Bischof Pirmin gründet im Jahr 724 im Auftrag des fränkischen Hausmeiers Karl Martell das erste Kloster auf der Reichenau. Dabei ging es auch um Macht: Die Franken setzten in dem Kloster die sogenannte Benediktinerregel ein, nach der die Mönche im Kloster dem Abt untergeordnet waren. Die Reichenau war eine bewusste Gründung der Karolinger, um am See zu Einfluss zu kommen. Unter Karl dem Großen, dem wohl bekanntesten Karolinger der Geschichte, begann die goldene Ära für die Insel. Walahfrid Strabo war der bekannteste Abt vor Ort. Die goldene Ära war geistvoll (das haben goldene Zeitalter nicht immer an sich): Strabo erzog Karl den Kahlen und Strabo schrieb über das Jenseits, das wohl erste Buch über eine Nahtoderfahrung.

Bücher wurden damals von Hand geschrieben und die Reichenau hatte eine der grössten Bibliotheken dieser Zeit: 415 Bände haben im Jahr 821 dort gestanden, 111 Mönche zählte der Konvent. Im neunten Jahrhundert kämpften die Äbte bereits um die Bedeutung der Reichenau: Sie versuchten Heiligenreliquien auf die Insel zu schaffen, das Haupt des heiligen Georgs landete so auf der Insel und ein Teil der Gebeine des heiligen Markus soll ebenfalls auf der Insel sein. Den Schrein aus getriebenen Silber kann man in der Schatzkammer des Münsters besichtigen. Ein weiterer großer Mann lebte im elften Jahrhundert auf der Reichenau: Hermann der Lahme, körperbehindert, aber geistig umso reger. Hermann schrieb auch über die weltlichen Bedürfnisse des geistigen Adels von damals: Das Frauenkloster in Buchau konnte sich im zehnten Jahrhundert aus sexueller Abhängigkeit von Mönchen lösen, war weiterhin vom Grundbesitz abhängig und bekam Hilfe von der Reichenau: Mit gefälschten Urkunden zum Beispiel, die den Buchauer Nonnen mehr Land bescherte. Nach dem elften Jahrhundert ging es abwärts mit der Bedeutung der Reichenau. Seit 1757 ist das Kloster Reichenau Geschichte. Eine Dependance hatte das Kloster Reichenau früher: In Schienen auf der Höri gründete der Statthalter von Karl dem Großen aus Florenz ein Kloster. Scrot, so hieß er, war der Besitzer der "Schrotzburg" auf dem Schiener Berg, die später Raubrittern in die Hände fallen sollte. 860 lebten 32 Mönche in Schienen. Früher noch als auf der Reichenau kam die Geistlichkeit in eine Gegend, wo heute die Stadt St. Gallen steht. Gallus hieß der Mann und er brachte irische Missionare mit, um den Einwohnern das Christentum beizubringen.

Die Alemannen wollten den Glauben nicht, die Missionare gingen. Gallus blieb, lernte die Sprache der Alemannen, konnte bald schon fischen und wurde akzeptiert. Gallus aber schaukelte sich nicht zur Macht hinauf, sondern wählte den Weg in die Einsiedelei. 719 versuchte ein Abt Otman in der Einsiedelei ein Kloster aufzubauen, landete aber nach politischen Fehlern als Gefangener in der Kaiserpfalz Bodman und später auf der Insel Wehrd bei Stein am Rhein. Warum? Er hatte die Autorität des Konstanzer Bischofs angezweifelt. Die Geschichte über die Geschichte der christlichen Blütezeit am See wäre noch lange nicht zu Ende, der Platz schon: Auf dem Hohentwiel soll es 970 Kloster als Palastschule gegeben haben, gegründet von der Herzogin Hadwig, die in Viktor von Scheffels "Ekkehard" als Liebhaberin ihres Lateinlehrers auftaucht. In Radolfzell - die Stadt ist nach einem späteren Bischof von Verona benannt - gründete exakt der Namensgeber (Ratold) 826 eine klosterähnliche Anlage (Zelle) im heutigen Stadtgebiet Radolfzells. Übrig ist die gotische Stiftskirche, das Radolfzeller Münster. 965 wurde das Öhninger Kloster von den Augustinern gegründet. Was man heute noch davon sieht, stammt allerdings aus dem 17ten Jahrhundert.

Heute ist von der mönchischen Welt auf der einen Seite und der alemannischen Bäuerlichkeit dieser Zeit auf der anderen Seite nicht mehr viel übrig: Im frühen Mittelalter war das mönchische Leben durchzuhalten: Reichtum gab es nur in Form von Grundstücken und Besitztümern und alleine kam keiner durch. Dann aber kam das Hochmittelalter mit finanziellen Anreizen, das Spätmittelalter brachte die Pest mit dem Jahr 1518 auch an den Bodensee, die Kirchenspaltung tat ein übriges. Geblieben sind zwei Kloster nach der Säkularisierung: Das Kloster Hegne bei Allensbach, das aber erst im Jahr 1895 zum Domizil für die 250 barmherzige Schwestern vom heiligen Kreuz wurde und der Dominikanerinnenkonvent Zoffingen in Konstanz, der seit dem Mittelalter besteht. Viele ehemalige Klosteranlagen (Inselhotel in Konstanz, Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen, Kartause Ittingen) sind heute nicht zuletzt touristisch genutzt, einige sind gut erhalten (Reichenau, Radolfzell, Schienen, Öhningen), von anderen war schon nach dem dreißigjährigen Krieg nichts mehr übrig.

Anatol Hennig


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