»Auf ein Wort!«

Sabine Neufang, Vorsitzendeder Bezirkssynode des evangelischen Kirchenbezirks Konstanz

Jörg Lichtenberg, leitender Pfarrer der Seelsorgeeinheit Singen

Michael Psczolla, Vorsitzenderdes Kirchengemeinderates von Gailingen-Büsingen

Rudolf Vögele, Leiter des Ressorts Pastoral im Generalvikariat für die Kantone Zürich und Glarus

10. Sonntags-Talk auf der Färbebühne

»Auslaufmodell Kirche«


mit Moderator Walter Studer

 

Der Anteil der Christen an der Bevölkerung in Deutschland nimmt massiv ab. Ungefähr jeder zweite Einwohner gehörte im vergangenen Jahr noch einer Landeskirche an. Austritte und Überalterung machen der katholischen und evangelischen Kirche zu schaffen. Die schleichende Marginalisierung der Kirchen hat gesellschaftliche Auswirkungen, gerade auch in einer Zeit, in der der Islam Stärke zeigt. Welche Chancen hat die Kirche, den Weg in die Bedeutungslosigkeit zu stoppen? Dies ist das zentrale Thema der Veranstaltung »Auslaufmodell Kirche«? vom 4. November in der »Färbe« in Singen.


ws. Pro Jahr geht die Zahl der Christen in etwa um eine halbe Million Menschen zurück. Grob gesagt zwei Drittel der Verluste sind auf Austritte zurückzuführen. Das letzte Drittel resultiert aus dem Sterbeüberschuss.  Daraus lässt sich folgern, dass die Kirchen überaltert sind.  Diese negative demografische Entwicklung wird verstärkt durch eine hohe Zahl von Kirchenaustritten. Die katholische Kirche verzeichnet dabei erheblich geringere Verluste als die evangelische. Interessanterweise weist die evangelische Kirche wesentliche höhere Zahlen bei den Neueintritten aus als die katholische.

Das Überleben der Kirche als gesellschaftliche Kraft ist gefährdet. Sie muss Mittel finden, ihre Botschaft der Gegenwart anzupassen; sie muss neue Wege finden, auf denen die Menschen zu ihr finden können, wenn sie nicht in ie Bedeutungslosigkeit versinken will.  Wie gehen die beiden Landeskirchen diese Aufgabe an? Wo orten sie die Ursachen für den Niedergang? Wie antworten sie auf den offensiven Auftritt des Islam?

Das sind zentrale Themen, die wir bei der Veranstaltung in der »Färbe« mit einem kompetenten Podium diskutieren wollen. Auf diesem werden Platz nehmen Sabine Neufang als Vorsitzende der Bezirkssynode des evangelischen Kirchenbezirks Konstanz, JörgLichtenberg, leitender Pfarrer der Seelsorgeeinheit Singen, Michael Psczolla, Vorsitzender des Kirchengemeinderates von Gailingen-Büsingen und Rudolf Vögele, Leiter des Ressorts Pastoral im Generalvikariat für die Kantone Zürich und Glarus und Autor des Buches »Die ausgetretene Kirche«.

Die Veranstaltung»Auslaufmodell Kirche?« behandelt ein aktuelles Thema mit interessanten und kundigen Teilnehmern.

Eine spannende Debatte erwartet uns am 4. November in der »Färbe«.

 

Sonntags-Talk in der Färbe am 4. November 2018
Beginn: 11.00 Uhr, Türöffnung: 10:30 Uhr in der »Färbe« in Singen.
Eintritt ist frei!


Um eine Spende für den Verein »Menschen helfen« wird gebeten.

 

 


Warum sind die Kirchen immer leerer?

Die Antworten der Podiumsteilnehmer:

Jörg Lichtenberg, leitender Pfarrer der Seelsorgeeinheit Singen
Studierte nach dem Abitur katholische Theologie, die er mit Promotion abschloss; nach Zwischenstationen als Vikar wurde er leitender Pfarrer, seit 2012 übt er dieses Amt in Singen aus; »Das Credo Cash, Creditcard, Car, Condominium, Country Club teilt in Inseln, die im moralischen Universalismus oder Populismus schwimmen. Darin das U-Boot Kirche: traditionstriefend, mal Nothelfer mal Politur; In katholi-cher Variante: Männer, Missbrauch, Modeschau. Traumwelt, Eine-Welt.«

Michael Psczolla, Vorsitzender des Kirchengemeinderates von Gailingen-Büsingen
Studierte nach dem Abitur Humanmedizin und eröffnete vor rund 30 Jahren eine Praxis als Allgemeinmediziner; Initiant der Büsinger Kammermusiktage; seit 30 Jahren Mitglied des Kirchengemeinderates; »Kirchen werden nicht leerer, wenn das Angebot stimmt. Gewiss ist der traditionelle Kirchgang am Sonntagvormittag nicht mehr »in« und spricht zunehmend weniger Menschen an.«

Rudolf Vögele, Leiter des Ressorts Pastoral im Generalvikariat für die Kantone Zürich und Glarus
Gelernter Bäcker, holte die Hochschulreife nach und studierte katholische Theologie, die er mit Promotion abschloss; spezialisierte er sich auf Personal- und Gemeindeentwicklung; seit  2007 in Zürich tätig; »Weil Kirchenleute, haupt- wie ehrenamtliche, die Wirklichkeit nicht wahrnehmen: Menschen wollen heute, wenn überhaupt, nur punktuell mit Kirche zu tun haben. Sie bleiben weg, wenn sie spirituell unterernährt bleiben. Sie wenden sich lieber an professionelle Berater*innen anstelle von Priestern, denen Kirchenrecht und Moral wichtiger sind als individuelle Begleitung in Freude und Hoffnung, Angst und Trauer. Zudem  verunmöglichen Seelsorgeeinheiten eine Beziehungspastoral: Wo keine Beziehung, da keine Gemeinschaft, da immer leerer werdende Kirchen…«

Sabine Neufang, Vorsitzende der Bezirkssynode des evangelischen Kirchenbezirks Konstanz
»Es kommen weniger Menschen in die Kirche, weil viele nicht wissen, was Ihnen das bringt. Sie haben ein Bild von Kirche im Kopf, das Ihnen veraltet und fremd erscheint. Die »Kirche« hat es noch nicht geschafft die Neugier zu wecken, es könnte was dran sein, denn ein Bedürfnis für das was Gott zu bieten hat, gibt es, denn sonst würden alle Lebensratgeber und Angebote rund um das innere Gleichgewicht nicht so boomen.«


Warnendes Beispiel: Singener Halbmarathon

Letzte Woche wurde bekannt, dass die ehrenamtlichen Organisatoren des Singener Halbmarathons die Veranstaltung nicht mehr zu stemmen vermögen. Diese überraschende Wendung zeigt, wie aktuell das Thema »Ehrenamt« ist. Unter dem Titel »Erfolgsmodell Ehrenamt, wie weiter?« diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Vereinen am Sonntag in der »Färbe« Fragen des freiwilligen Engagements.

ws. Eine ehrenamtliche Tätigkeit wird aus unterschiedlichen Gründen übernommen. Drei Grundmotivationen lassen sich erkennen: ein Engagement, um eigene Interessen zu verfolgen, ein Engagement für die Interessen Dritter und schließlich das Engagement für die Interessen aller. In erster Linie wird ein Ehrenamt angenommen, um eigene Interessen wahrnehmen zu können. Jemand tritt einem Verein bei, um sein Hobby zu pflegen. Aus der Mitgliedschaft  entstehen Verpflichtungen, die zu Einsätzen im Dienste des Vereins führen.

Jüngste Entwicklungen zeigen, dass der freiwillige Einsatz für die Interessen Dritter wichtiger wird. Die Erkenntnis, dass aufgrund von gesellschaftlichen Entwicklungen bestimmten Gruppen existentielle Bedürfnisse nicht zugänglich sind, motiviert viele Leute, ehrenamtlich solche Manki zu beheben.

In den beiden Bereichen Engagement für eigene Interessen und Einsatz für die Interessen Dritter nimmt die Zahl der ehrenamtlich Tätigen zu. Anders sieht es beim freiwilligen Einsatz im Dienste aller aus. Die Suche nach Leuten, die Verantwortung in Vereinen übernehmen, gestaltet sich mühsam. Gleiche Probleme bekunden Organisationen, die Einsätze im Dienste der Gesellschaft leisten. Feuerwehren suchen teilweise händeringend nach Nachwuchs. Was sind die Ursachen für diese ungleiche Entwicklung? Kann diePolitik das Problem entschärfen? Das sind Fragen, die beim Talk amkommenden Sonntag diskutiertwerden. In der Runde sitzen Leute,die das Ehrenamt aus der täglichen Praxis kennen: Marion Cza-jor, Vorsitzende des Tierschutzvereins Singen-Hegau und Gemeinderätin, Stefan Dunaiski, Vorstand des SV Bohlingen und  Ortsvorsteher, Hans-Peter Storz,  Vorsitzender des Stadtturnvereins Singen und Gemeinderat, sowie Dorothea Wehinger, Mitglied des Landtags, Mitglied des Kreisrates und Gemeinderätin.


Wieso übernehmen immer weniger Leute Verantwortung in Vereinen?

Die Antworten der Podiumsteilnehmer auf die Frage:

Dorothea Wehinger, Landtagsabgeordnete, Mitglied Kreistag, Gemeinderätin
Leute wollen sich immer weniger festlegen – Sorge bei z.B. spontanen Reisevorhaben angebunden zu sein. Zunehmende Individualisierung und Anonymisierung in unserer Gesellschaft. Traditionen gehen verloren.  Religion/Kirche verlieren an Stellenwert (die gute Tat bringt nichts mehr). Fehlende Wertschätzung. Gesellschaftlicher Wandel: z.B. im Arbeitsleben wird Mobilität gefordert – häufige Wohnortswechsel machen Engagement schwierig. Zunehmende Bürokratisierung: Steuer, Führungszeugnis, Gesundheitszeugnis etc. Verändertes Freizeitverhalten.

Marion Czajor, Vorsitzende Tierschutzverein Singen-Hegau, Gemeinderätin

Die Gesellschaft ist im Umbruch und die verbleibende Zeit für das Ehrenamt ist knapp. Kurz gesagt, Ehrenamt ist fordernd: hohes zeitliches Engagement, Fachwissen, Kontinuität und es bedarf der Akzeptanz in der Familie. Weitere Einflussfaktoren sind: Leistungsdruck am Arbeitsplatz, Zwangsmobilität durch befristete Arbeitsverträge und geändertes Freizeitverhalten durch Fortbildungsstress und Auszeitphasen. Es fehlt nicht zuletzt an Verständnis, Wertschätzung und Förderung, oftmals auch am Arbeitsplatz. Alles Faktoren, die es dem Ehrenamt schwer machen.

Stefan Dunaiski, Vorstand SV Bohlingen, Ortsvorsteher Bohlingen
Es gibt immer noch viele Leute,welche sich ehrenamtlich in Vereinen engagieren. Leider sind für die Posten Vorstand oder Kassierer immer weniger Leute zu finden. Auf Nachfrage spielt immer wieder die berufliche Belastung eine große Rolle. Zum anderen wird der Zeitfaktor angegeben. Die höchste Hürde bilden die stetig steigenden bürokratischen und gesetzlichen Anforderungen, Verpflichtungen und Vorschriften, welche von Politik und Finanzamt gefordert werden. Um alle Dinge erfüllen zu können, benötigen die ehrenamtlich Tätigen umfassendes Wissen zu Finanzen und Vereinsführung, damit keine Fehler begangen werden.

Hans-Peter Storz, Vorsitzender Stadtturnverein Singen, Gemeinderat
»Ich bin nicht überzeugt, ob es soviele weniger sind: Wenn wir die Vereinslandschaft anschauen, sind eine Vielzahl von Fördervereinen, aber auch neuen Gruppierungen im Sport etc. entstanden, die ja alle Verantwortliche brauchen. Auf der anderen Seite ist es bei großen Sport- oder Musikvereinen sicher so, dass die Vielfalt der Aufgaben, vor allem die rechtlichen Bestimmungen (Datenschutz, Finanzamt), die heute von der Vereinsführung beachtet werden müssen, viel abverlangen und viele abschrecken. Das ist mit Freude an der Sache alleine nicht mehr zu meistern. Da braucht es Fortbildungen und fachliche Unterstützung, denn man will diesen Dienst ja für die Menschen machen und nicht für die Bürokratie.